Die neuesten Tendenzen im Unterhaltsrecht

78. Sendung am 02.03.2011: Die neuesten Tendenzen im Unterhaltsrecht

Das Thema "der Unterhalt für geschiedene Ehepartner" wird uns noch dauerhaft beschäftigen. Mit einem Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25.01.2011 - Az.: 1 BvR 918/10 - wurde die seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.07.2008 geltende Berechnung des Unterhalts für geschiedene Ehepartner aufgehoben. Diese Rechtsprechung vollzog eine Kehrtwende zum Nachteil der geschiedenen unterhaltsberechtigten Ehepartner dahingehend, dass für die Berechnung seines Unterhaltsanspruchs unabhängig von seinem konkreten Bedarf nun das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nunmehr anteilig auf ihn, seine aktuelle Ehefrau im Falle der Wiederheirat und der geschiedenen Ehefrau aufgeteilt wird. Die Folge war, dass die geschiedene Ehefrau nur noch über 1/3 des Einkommens an Unterhalt verfügte. Bei einem Einkommen des unterhaltsverpflichteten geschiedenen Ehemanns von € 3.000,00 verblieben ihr statt bisher € 1.285,00 nur noch € 1.000,00 an Unterhalt. Diese Berechung hob nun die Entscheidung vom 25.01.2011 wieder auf.

Als Begründung wurde ausgeführt, es sollten weiterhin die ehelichen Lebensverhältnisse für die Berechnung des Unterhalts maßgeblich bleiben. Eine Korrektur zugunsten des Unterhaltsverpflichteten ist im Rahmen einer 3-stufigen Ermittlung des Unterhaltsanspruches (dem Bedarf, der Bedürftigkeit auf Seiten des Unterhaltsberechtigten und der Leistungsfähigkeit auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten, jeweils unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden tatsächlichen oder fiktiven Einkommens) möglich. Hieran soll sich nichts ändern. Der Gesetzgeber hätte ansonsten für die Gruppe der langjährig verheirateten Ehefrauen mit Einführung der Unterhaltsreform zu einer sofortigen Einführung der Drittelmethode zurückgegriffen.  Er wollte aber eine lange Übergangsphase, um unbillige Härten auszuschließen.

Eine Korrektur zugunsten des neuen Ehepartners ist über die Rangfolge der Unterhaltsberechtigten möglich. Sofern der neue Ehepartner ebenfalls Kinder aus der neuen Ehe betreut und erzieht, steht sie mit der kinderbetreunden Ehefrau aus erster Ehe im gleichen Rang. Ist dieses nicht der Fall, steht diese mit der geschiedenen Ehefrau, die ebenfalls keine Kinder aus der gemeinsamen Ehe erzieht, im gleichen Rang. Sollte die unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau keine Kinder betreuen, steht die neue Ehefrau im Rang vor ihr mit der Folge, dass zunächst der Bedarf der neuen Ehefrau aus dem Einkommen des unterhaltsverpflichteten Ehemanns zu bedienen ist. Erst danach erhält die geschiedene Ehefrau aus dem Resteinkommen ihren Unterhalt.

Mit zunehmender Dauer nach der Scheidung ist bei der unterhaltsberechtigten Ehefrau auch das fiktive Einkommen unterhaltsmindernd zu berücksichtigen. Erzielt sie kein Einkommen, ist nach dem ehelichen Nachteil zu fragen. Hierbei ist zu berücksichtigen, inwieweit sie ohne die eheliche Aufgabenverteilung bei Annahme einer Hausfrauenehe in der Lage wäre, aus ihrem Ausbildungsberuf unter Berücksichtigung der üblichen Einkommenssteigerungen ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Je länger die Ehe dauerte, ist nach einer Entscheidung des BGH vom 20.10.2010 die lange dauernde ehelich bedingte wirtschatliche Verflechtung beider Ehepartner zu berücksichtigen. Die lange wirtschaftliche Verflechtung beider Ehepartner stellt ein neues Kriterium für die Annahme eines ehelichen Nachteils dar, die im Rahmen einer Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist.

Die derzeitige Situation kann nicht befriedigen. Eine schnelle Ermittlung des Unterhalts in der Höhe, wie auch der Dauer ist nicht mehr möglich.  Für den konkreten Einzelfall bedeutet dieses eine sehr genaue Vorbereitung einer Unterhaltsklage im Hinblick auf die oben kurz skizzierten Sachverhaltsumstände. Die Verfahren dürften sich damit in die Länge ziehen. Das Anliegen des Gesetzgebers, die Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, dürfte damit ebenfalls nicht mehr realisierbar sein. Wie sich diese Rechtsprechung in der Praxids auswirkt, bleibt abzuwarten und wird von der Redaktion kritisch verfolgt.